Grenzgeschichten | Der Fall des Eisernen Vorhangs

Grenzen schaffen zwar erst Identitäten, doch gleichzeitig markieren sie auch die Schnittstelle zu etwas "anderem". So bilden Staatsgrenzen die Voraussetzung für Ein- und Ausschlussmechanismen, wenngleich in den Grenzgebieten die Identitätskonstruktionen am sinnfälligsten in Frage gestellt werden. Und da die Grenzverläufe von den jeweiligen politischen Machtkonstellationen bestimmt werden, unterliegen sie permanenten Verschiebungen, die immer mit Unsicherheiten einhergehen.

Der Fall des "Eisernen Vorhangs" im Jahr 1989 war nicht nur ein Ereignis von europäischer Dimension, die bis dahin in zwei Machtsphären geteilte "Weltordnung" geriet aus dem Gleichgewicht. Die politischen und ökonomischen Transformationsprozesse hatten einen erhöhten Waren- und Kapitalverkehr zur Folge, neue Migrationsbewegungen wurden in Gang gesetzt. Doch das bedeutete nicht, dass damit die Grenzen der Vergangenheit angehörten, neue nationale Grenzziehungen und Markierungen entstanden.
Aufgrund der langen Trennung entlang des "Eisernen Vorhangs" blieben die Lebensbedingungen in den unmittelbaren Nachbarstaaten weitgehend unbekannt und konnten somit zu Projektionsflächen für vielfältige konkurrierende Vorstellungen und Bilder werden. Die Grenzöffnung schuf zwar neue Kontaktmöglichkeiten, doch die Grenzen in den Köpfen blieben oftmals bestehen.

In der Ausstellung wird der Blick nicht nur auf die historischen Ereignisse gerichtet, im Zentrum stehen die konkreten Erfahrungen, die die Menschen in dieser Umbruchsituation diesseits und jenseits der Grenze gemacht haben.  Der Fokus ist zwar auf die Ereignisse in der Tschechoslowakei gerichtet, doch sollen diese in den größeren Rahmen der gesellschaftspolitischen Veränderungen in Polen, Ungarn und der DDR eingebettet werden.

Eröffnung: 3. November 2009 im FZHM | 18.00

Kuratorin: Regina Wonisch
Gestaltung: Peter Karlhuber, Gerhard Spring


                                                                                                 

Begleitveranstaltung in Kooperation mit dem Filmarchiv Austria:

Retrospektive 8.-25. November 2009, Metro Kino

Seit am 9. November 1989 die Berliner Mauer fiel, machen auch Spiel- und Dokumentarfilme der letzten zwanzig Jahre Grenz-Erfahrungen, die gleichsam als Spuren einer neuen europäischen Film- und Kinosprache zu lesen sind. Was sich an den Rändern abspielt(e), von wo die Zentren vermeintlich nur abgeschlossen sind, erzählen fast dreißig Produktionen so unterschiedlich wie ihre Bilder.

7. November 2009 | 19:30 | METRO KINO

Eröffnungsfilm: Mit Verlust ist zu rechnen (A, Ulrich Seidl) 
in Anwesenheit des Regisseurs

Johannesgasse 4, 1010 Wien
Tel: 512 18 03
www.filmarchiv.at


Programm








LINK zu Grenzprojekten
:

Mit dem Projekt GRENZGENIAL! will das ScienceCenter-Netzwerk eine Serie qualitätsvoller, interaktiver Angebote zum Thema Grenzen in ganz Österreich schaffen, um auf das spannende Thema Grenzen neugierig zu machen, die Faszination daran zu wecken, einen Bezug zu den Besuchenden und ihrem Alltag herzustellen und Fragen auszulösen, die zum Weiterdenken anregen.
http://www.grenzgenial.at/projekt

 


Die einen sehen die Grenzen nicht mehr; die anderen sehen nichts anderes.






"Und da stand ich am eisernen Berg und blickte hinüber in die Erzählung, die ich allerorts zu hören bekam: Ins Reich der Knechtschaft, der großen Unfreiheit, der staatlichen Bevormundung, der Polizeigewalt, des verbotenen Mundes, des Einparteiensystems. Da drüben also war alles grau, selbst wenn Frühling war, da hatten die Menschen nicht nur kein Geld, keinen eigenen Besitz, keine Rechte, sie hatten auch keine Bananen, mussten jahrelang auf ein Plastikauto warten, sie hatten keine funkelnden Elektrogeräte, keine sauberen Straßen und glänzenden Fassaden, sie lebten in trostlosen Plattenbauten, von denen einer dem anderen glich – sie hatten also, weil es keinen freien Markt gab, kein Leben."

Clemens Berger, Vorhang auf, Vorhang zu, 2009